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15 Jahre Goldsteig - die Acht-Tausender-Tour

Christiane war für euch unterwegs auf der Königsetappe des Goldsteigs

Acht-Tausender-Tour Bayerischer Wald: Gipfelschmankerl am Goldsteig

Die Uhr schlägt 04:30, als wir an diesem Morgen aus dem Schlaf gerissen werden. Meine Liebe zum Wandern treibt uns so früh aus dem Bett. Wir erwandern den Mount-Everest meiner Heimat! Der Traum vom Himalaya bleibt sehr wahrscheinlich ein Traum. Ganz egal, denn nur rund eine Stunde Autofahrt von meiner Wohnung entfernt, herrscht ein wahres Bergparadies.

Die Tageswanderung sucht seinesgleichen und ich empfehle sie gerne, wenn man mich fragt, was man denn unbedingt bei einem Urlaub im Bayerischen Wald erleben muss. Zu Recht ist die Acht-Tausender-Tour viel gerühmt, denn sie führt über acht imposante Gipfel entlang des Goldsteigs - dem längsten und vielfältigsten Qualitätswanderweg Deutschlands. Vom Zellertal über den Lamer Winkel planen wir die zugegebenermaßen anspruchsvolle, dafür spektakuläre Königstour bis zum Großen Arber. In der Regel brauchen wir für die Wanderung mehr als 7 Stunden. Die Einkehr und das Innehalten beim Panorama gehört für mich zum Outdoor-Erlebnis nämlich genauso dazu wie der Fußmarsch selbst.

Wir entscheiden uns für den Startpunkt beim Berggasthof Eck. Gegenüber beginnen wir der Goldsteig-Markierung folgend, unser großes Abenteuer. Der felsige Pfad schlängelt sich in sanften Kurven bis zum ersten Etappen-Ziel durch den Wald. Teilweise ist der schmale Weg mit verwelkten Blättern der Pflanzenwelt dekoriert. Umhüllt werden wir von einem Mix aus duftenden Fichten, Tannen, Buchen und der typisch erdigen Note des Waldbodens. Morgens wirkt der Wald immer märchenhaft auf mich. Im grünen Dickicht blitzen hin und wieder mit Tau besetzte Spinnweben hervor und die Morgensonne breitet langsam ihre Wärme über der Natur aus. Wirklich klar ist der Himmel nicht, aber es soll heute noch besser werden.

Tourenverlauf der Acht-Tausender-Tour

Servus Berge

Nach nur ungefähr 40 Minuten Wegzeit, erreichen wir Berg Nummer 1, den Mühlriegel (1.080 m). Neben der urigen Unterstandshütte klettern wir auf den zerklüfteten Felsriegel. Das stattliche Holzkreuz erblicken wir bereits von unten. Stolz wirkt es aus der Froschperspektive und das darf es auch sein. Immerhin schmückt es den ersten 1000-er!

Für den umfassenden Rundblick über den Lamer Winkel nehmen wir uns nur kurz Zeit, aber es ist bereits eine kleine Kostprobe des Augenschmauses, welcher heute noch vor uns liegt.
Die Markierung leitet uns weiter durch den naturbelassenen Wald. Manchmal prägen umgestürzte Bäume, an denen Pilze gedeihen, ein leicht chaotisches Landschaftsbild. Das frühe Aufstehen war nicht nur ein Muss, sondern hat sich wie so oft gelohnt.

Wir sind scheinbar die ersten Wanderer auf der Strecke. Ich mag diese Allein-Momente im Wald, so ist die Musik der Natur am besten wahrnehmbar. Ab und zu knarzt es zwischen den Bäumen und die Vögel singen bereits eifrig ihr Konzert. Nur wenige Wandermeter vom Mühlriegel entfernt, ragen die kolossalen Felsengipfel des Ödriegels (1.156 m) dem Himmel empor. Nicht nur klein, sondern winzig komme ich mir jedes Mal vor, wenn ich die monströsen Steinbrocken betrachte.

Am Gipfelplateau nehmen wir ein paar Minuten Platz, um die phänomenale Aussicht bis zum Hohen Bogen und Richtung Osser auf uns wirken zu lassen.

Woid-Idylle

Nachdem wir den markanten Ödriegel verlassen, wandern wir gemütlich dem ca. 5 km entfernten Schwarzeck entgegen. Umzingelt bleiben wir vom charakteristischen Gesicht des Bayerischen Walds. Wurzeln, Totholz und junge Bäume mischen sich zwischen die grasigen Hügel. Ziemlich lang kommt mir die Etappe vor, dafür wenig anstrengend und ganz und gar nicht langweilig. Es bleibt genügend Zeit, um die frische Sommerluft einzuatmen und in den weitläufigen Wald mit seinen moosigen Flecken zu blicken.

Vor Schwarzeck passieren wir das Waldwiesmarterl. Friedlich eingebettet ruht die Schutzhütte mit dem Jesus-Kreuz mitten im Wald. Auch wenn die Kulisse regelrecht zum Bleiben einlädt, lassen wir den verträumten Ort hinter uns.
Die weitere Route wieder anspruchsvoller und meine Waden erhöhen ihr Arbeitspensum. Ein verwunschener Pfad führt hoch zum nächsten Gipfel. Oben auf den Felsen thront das silberne Metallkreuz des eher weniger frequentierten Schwarzecks (1.238 m) seit 2009 in neuem Glanz. Der Berg ist buchstäblich ein Idyll, weit entfernt von Hektik, Stress und Straßenlärm. Mein Blick schweift über den malerischen Lamer Winkel, die Ortschaften Lam, Lohberg und seinen Doppelgipfeln, dem Kleinen und Großen Osser.

Der markante Hausberg des Lamer Winkels bildet die Grenze zum Nachbarland Tschechien. Mit Sicherheit auch ein Grund warum ich mich hier draußen immer unglaublich frei fühle. Rund ein Drittel der Tour haben wir geschafft und nach ein paar Minuten Rast, gesellen sich auch weitere Acht-Tausender-Eroberer zu uns.

Wilde Natur

Wir laufen wieder ein Stück bergab. Rauf und runter, ähnlich einer Welle, führt uns die Goldsteig-Markierung durch den geruhsamen Wald. Die Szenerie wandelt sich von dichten Tannen und Fichten zu schütterem Baumbestand. Gesäumt wird der Weg von wilden Wiesen, deren Gräser im Takt des Winds flattern. Am Reischflecksattel (1.126 m) eröffnen sich Ausblicke auf eine von Sturm gezeichnete Landschaft. Unübersehbar ist das Werk von Orkan Kyrill, obwohl die Katastrophe bereits einige Jahre zurückliegt. Gezähmt wird die wilde Vegetation, mit Weitsichten über die sanften Wogen des Bayerischen Walds. So unverfälscht und so echt wie im Bayerischen Wald zeigt sich die Natur nur selten auf dem Globus.

Fast treppenartig erscheint die steile Felspassage Richtung Heugstatt. Es sind nicht die Höhenmeter, welche Kraft kosten, sondern die Konzentration. Wurzeln und Felsen über ein Gelände von 16 km zu bestreiten, fordert Aufmerksamkeit, Trittsicherheit und selbst die jüngsten Knie. Energie schenkt die ungestüme Natur, die mit jedem Schritt die Alltagssorgen verblassen lässt. Über die gesamte Wegstrecke dominieren immer wieder weitläufige Heidelbeerfelder, deren dichter Wuchs mich kurz vor Heugstatt frech an den Beinen kitzelt.
Wie ausgesetzt erscheint das für mich schönste und markanteste Gipfelkreuz im Bayerischen Wald. Heugstatt (1.262 m) ist anders, denn der Berg liegt nicht wie üblich auf Gneis und Granit, sondern einer Wiese, die früher der Almweide diente. Egal wie oft ich hier komme, die Kulisse schaut einfach nie gleich aus. Heute entdecke ich nur noch zerfledderte Fähnchen-Reste am urigen Holzkreuz. Dafür erinnern einige Überbleibsel, wie Strohsterne, an die Weihnachtszeit. Unverändert hingegen, ist das Holzbankerl, welches zum Verweilen einlädt. Zeit für eine kleine Wanderpause!

Der Enzian befindet sich fast schon in unmittelbarer Nachbarschaft zu Heugstatt und scheint zum Greifen nah. Motiviert wandern wir der nächsten Aussicht empor. Im Angesicht des Enzians (1.287 m) legen wir nochmal eine kurze Verschnaufpause ein, um die einmalige Rundsicht über den Bayerischen Wald zu genießen. Hier erspähen wir auch bereits die letzten beiden Bergziele, Kleiner und dank Radarkuppeln den Großer Arber.
Zwischen Wollgräsern und entwurzelten Bäumen setzen wir die Route fort und laufen ein Stück auf einem Holz-Bohlenweg. Der Anstieg nimmt abermals zu, meine Atmung wird hektischer und dutzende Schweißtröpfchen kullern über meine Haut. Mittlerweile strotzt die Sonne erbarmungslos auf uns herab. Beim Kleinen Arber (1.384 m) lasse ich mich erschöpft auf einem der Felsen nieder und blicke hoch zum imposanten Gipfelkreuz. Ich bin dankbar für die leichte Sommerbrise, während ich mein vorletztes Weg-Brot verzehre und den sagenhaften Fernblick Richtung Lamer Winkel und Zellertal aufsauge.

Vorsichtig tasten wir uns von den Gipfelfelsen des Kleinen Arbers hinab und laufen Richtung Senke zur Chamer Hütte. Bei Kaiserwetter wird die 1289 m hoch gelegene, urige Berghütte natürlich gut besucht. Kein „Platzerl“ ist mehr frei, also fülle ich nur den Wasservorrat am Brunnen auf und blicke neidisch auf die Kaltgetränke und Brotzeit der anderen Gäste.
 

Endspurt Großer Arber

Die nächsten Wandermeter marschieren wir auf einem Schotterweg. Für den Bayerischen Wald eher untypisch, denn durch die geologische Beschaffenheit sind unsere Wanderpfade in der Regel etwas unwegsamer, dafür wesentlich facettenreicher. Bei der Bodenmaiser Mulde nimmt die Steigung ein letztes Mal zu. Begierig und voller Vorfreude wandern wir unserem Ziel entgegen. Nur noch wenige Meter und wir haben die Acht-Tausender in der Tasche! Am Plateau des Großen Arbers (1.456 m) geht sozusagen die Post ab. Während wir den Löwenanteil der Strecke relativ einsam unterwegs waren, teilen wir uns den „König“ mit vielen gleichgesinnten „Bergnarrischen“.

Der höchste Gipfel zählt selbstverständlich auch zu den populärsten Wanderzielen im Bayerischen Wald. Platz finden wir trotzdem genug, weil es eigentlich nicht den einen Gipfel gibt, sondern gleich vier verschiedene Riegel aus Paragneis. Egal für welchen Felsen man sich entscheidet, am Ende wird man immer mit einem traumhaften Ausblick belohnt. Nach mehr als 1000 gesammelter Höhenmeter rauschen nun die Berg-Endorphine durch meinen Körper. Müdigkeit spüre ich keine, sondern einfach nur pures Glück! Die phänomenale Aussicht ist ein Leckerbissen für die Augen, getoppt mit einem blitzblauen Himmel und einer Weite, für die mir die Worte fehlen. Ab und zu kann man vom Großen Arber sogar den Alpen zuwinken. Heute winke ich nur den Wanderern vom Schwarzeck zurück, ansonsten bleibt mein Blick vom Panorama und der prächtigen Umgebung gefesselt.

Wir gehen noch unsere kleine obligatorische „Riegel-Runde“, um schlussendlich beim Arberschutzhaus einzukehren und uns ein frisch gezapftes Radler zu gönnen.
Den Rückweg bestreiten wir ganz bequem, denn wir schaffen tatsächlich die letzte Gondel bis zur Talstation. Eigentlich schade, ich bin nach der Hütteneinkehr gut erholt und wäre bereit für die nächste Tour – irgendwo in den Bergen, zwischen Niederbayern und der Oberpfalz!