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Abgelegene Weiler und verschwundene böhmische Grenzdörfer

Wanderung durch die Grenzgeschichte in der böhmischen Nachbarschaft

Eschlkam, 27.01.2018
Das Gesicht einer kulturellen und landwirtschaftlich bebauten Landschaft änderte sich nach Beendigung des 2. Weltkrieges auch in der Eschlkamer Nachbarschaft völlig. Hunderte von den ausgesiedelten deutschen Dörfern und Ortschaften im böhmischen Grenzgebiet die sich in der Nähe der Staatsgrenze befanden, wurden nach der Sperrgebietsverkündigung und nach dem Niederlassen des Eisernen Vorhangs planmäßig niedergerissen. Zu diesen Ortschaften gehörte auch Mysliv (Schneiderhof), dass nur wenige Meter von der Ortschaft Schachten, einem Weiler der Gemeinde Eschlkam entfernt liegt.

Das Tourismusbüro Eschlkam hatte am vergangenen Samstag zu diesem Thema ganz kurzfristig eine Wanderung anberaumt, an der 30 Interessierte teilnahmen. Mit Gerhard Lamecker von der Bundespolizeiinspektion Waldmünchen holte sich der Tourismusbeauftragte Josef Altmann einen Fachmann an seine Seite, der sich seit Jahren intensiv mit der Grenzgeschichte befasst.

Die Wanderung verlief von Eschlkam aus über die Großaigner Einöden nach Schachten, einem Weiler der Marktgemeinde Eschlkam, der direkt an der Staatsgrenze zu Tschechien liegt. Den über 350 Kilometer langen Grenzverlauf kennzeichnen die weiß-blauen Grenzpfähle und die Grenzsteine, so Gerhard Lamecker. Insgesamt ist die bayerisch-böhmische Grenze in 12 Grenzabschnitte eingeteilt. Der Bereich in Schachten bis zum Grenzübergang Eschlkam gehört zum Grenzabschnitt acht. In regelmäßigen Abständen wird der Grenzverlauf auch vom Bayerischen Landesvermessungsamt vermessen. Nach nur wenigen Metern gelangten die Wanderer auf den früheren Kolonnenweg, der den tschechischen Grenztruppen dazu diente, um jeden Punkt möglichst schnell mit Fahrzeugen zu erreichen. In diesem Bereich lag auch die Ortschaft Mysliv (Schneiderhof), die nur mehr zu erahnen ist. Ein alter Transformator blieb am Rande des ehemaligen Dorfes erhalten, dass bis zur Vertreibung der Deutschen im Jahre 1945 aus 60 Häusern bestand und wo rund 300 Personen lebten. Kurz nach der Vertreibung der Deutschen wurde das im Sperrgebiet gelegene Dorf demoliert und niedergerissen, so Gerhard Lamecker.

Weiter informierte Gerhard Lamecker, dass in der Zeit des totalitären Regimes im Haus Nr. 14 in Mysliv (Schneiderhof), ein falsches US-Büro errichtet wurde und zwar im Rahmen einer Aktion "Kamen", einer der meist verheimlichten Aktivitäten der Staatssicherheit gegen die tschechoslowakischen Bürger, die nach 1948 versuchten ohne Bewilligung der kommunistischen Behörden ins Ausland zu gehen. Die Mitglieder des Staatssicherheitsdienstes übernahmen die Rolle der Menschenschmuggler und schmuggelten Personen über die fiktive Staatsgrenze , die jedoch in einer sicheren Entfernung von der realen Grenze inszeniert wurde. Die flüchtenden Personen wurden dann nachdem sie die fiktive Grenze überschritten haben, sofort festgenommen.

Nach dieser Zeitgeschichte über die Ortschaft Schneiderhof, die Gerhard Lamecker den Wanderern erzählt hatte, verliefen die letzten Kilometer der Wanderung über den Grenzübergang Eschlkam/Vseruby und dem Ostbayerischen Jakobsweg nach Eschlkam zurück.
Josef Altmann